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AfA Region Stuttgart

Dem Rentensystem bricht die Basis weg, deshalb müssen die Menschen länger arbeiten.

Arbeitsgemeinschaften

Sindelfinger Zeitung Dienstag 07.12.2010
Von Jürgen Wegner

Franz Müntefering spricht im Odeon der Schule für Musik, Theater und Tanz über heikle Themen und hat kaum Zuhörer. Bild: Stampe

Dem Rentensystem bricht die Basis weg, deshalb müssen die Menschen länger arbeiten. Für Franz Müntefering, Vizekanzler a. D., war die Botschaft so logisch wie wichtig, die er gestern Abend auf Einladung seiner SPD-Genossen in Sindelfingen unters Volk bringen wollte. Erreicht hat er im Odeon der Schule für Musik, Theater und Tanz jedoch nur rund zwei Dutzend Zuhörer.
Die Zahl 67 mied Franz Müntefering 111 Tage vor der Landtagswahl in seinem Vortrag zum demografischen Wandel konsequent. Dass das jetzige Renteneintrittsalter aber nicht zu halten sei, davon ist er fest überzeugt. Deshalb schrieb er den Genossen ins Parteibuch, die Realität fest im Auge zu behalten. Und weil sich diese besonders gut in Zahlen messen lässt, lieferte er gleich einen dicken Katalog voller Statistiken und Hochrechnungen.
Zum Beispiel das Verhältnis 2:1. Franz Müntefering hält sich an Prognosen, die voraussagen, dass im Jahr 2028 auf zwei Erwerbstätige ein Rentner kommt. Derzeit finanzieren drei Menschen eine Rente, vor 50 Jahren lag der sogenannte Altenquotient sogar bei 6:1. „Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Es haut nicht hin, wenn man da wegschaut“, sagt Franz Müntefering.

Deutschland schrumpft
Ein anderes Zahlenspiel: Heute leben in Deutschland etwa 500?000 Menschen, die über 90 Jahre alt sind. Im Jahr 2020 sollen es eine Million Menschen sein, 2050 sogar zwei Millionen. Gleichzeitig kommen immer weniger Kinder zur Welt, was die Bevölkerung schrumpfen lässt. Franz Müntefering rechnet damit, dass im Jahr 2050 68 Millionen Einwohner in Deutschland leben. Heute sind es 81 Millionen. Selbst diese Zahl werde nur erreicht, wenn jedes Jahr 100?000 Menschen netto zuwandern – „also jedes Jahr 150?000 Menschen, weil 50?000 das Land wieder verlassen“.

Dazu kommt: Wenn sich in der Medizin nichts Entscheidendes tut, sollen auch in Zukunft 60 Prozent der über 90-Jährigen nicht dazu in der Lage sein, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Diese werden alle zu Pflegefällen. Die Kosten explodieren.
Weil Franz Müntefering fest davon überzeugt ist, „dass es nichts Besseres gibt, als wenn Menschen für Menschen arbeiten, die Gesunden für die Kranken, die Starken für die Schwachen und die Erwerbstätigen für die ohne Arbeit“ und deshalb vor individuell zugeschnittenen Zusatzprogrammen warnt, könne nur die Zukunft sein: „Wir müssen länger arbeiten.“
Siegfried Schöttle, ehemals Hauptsamtsleiter der Gemeinde Grafenau und heute dort SPD-Gemeinderat, fand einen Haken an der Sache: „Das Arbeitsklima wird fast überall immer schlechter. Die Menschen hören doch lieber heute als morgen auf, wenn sie können.“ Genau dagegen müsse man ankämpfen, sagt Franz Müntefering, und „mit Fantasie Möglichkeiten finden, die Älteren zu beschäftigen“.
Dass sich das lohnt, davon ist er überzeugt. Fachkräftemangel ist dazu das entscheidende Stichwort. Kompetenzen und Erfahrungen seien wertvolle Güter. Das wiederum gelte nicht nur für die Arbeitswelt, sondern auch für das Leben abseits der Lohntüte, sprich: im Ehrenamt. „Demokratie kennt keinen Schaukelstuhl“, sagt Franz Müntefering, und auch im Alter könne man eine gewichtige Rolle spielen – „vielleicht nicht mehr als Kapitän oder über 90 Minuten, aber als Joker“.
Die Genossen nahmen den Ball gerne auf, Geschlossenheit ist Trumpf. Deshalb gab es nicht nur bei all den anderen im Wahlkampf obligatorischen Spitzen in Richtung politische Konkurrenz warmen Applaus – sondern auch für die unbequeme Botschaft vom aufgeschobenen Ruhestand.

 

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